Sibirien: Weltgrößtes Goldvorkommen wird erschlossen

Sibirien ist der Inbegriff des eisigen Niemandslands. Jeder hat sofort ein Bild im Kopf, wenn der Name der russischen Region fällt: weite verschneite Landschaften, klirrende Kälte, so gut wie keine Menschen. Straßen? Fehlanzeige. Infrastruktur? Höchstens die Transsibirische Eisenbahn, mit 9.300 Kilometern die längste Zugstrecke der Welt. Ohne sie wäre es unmöglich, die Reichtümer der Region zu bergen. Denn Bodenschätze birgt Sibirien viele: fossile Brennstoffe, Edelsteine, Metalle und Edelmetalle, darunter auch Gold. Und davon nicht gerade wenig.
Gold wird in Sibirien bereits in Goldminen wie Jeruda (das „goldene Herz Russlands“ genannt) und Olimpiada von Tausenden Mitarbeitern von Polyus, dem größten Goldförderungskonzern des Landes, geborgen. Nun soll auch die Mine Sukhoi Log im Südosten der Region erschlossen werden.
Seit den 1960er-Jahren weiß man schon, dass dort Gold vorhanden ist. Spätestens seit den Siebzigern ist klar, dass es sich um große Mengen handelt. Jetzt sind genaue Zahlen vorhanden: 540 Millionen Tonnen Erz und 40 Millionen Feinunzen Gold liegen unter der sibirischen Taiga. Das entspricht etwa einem Viertel des gesamten russischen Vorkommens und ist weitaus mehr als in großen Goldminen in anderen Teilen der Welt. In der indonesischen Grasberg-Mine etwa sollen noch 26 Millionen, im südafrikanischen South-Reef etwa 32 Millionen Feinunzen zu fördern sein.

Gold in Sibirien abzubauen ist teuer

Dass das Vorkommen nun endlich erschlossen wird, liegt am hohen Goldpreis. Erst jetzt wird die Förderung als rentabel betrachtet. Polyus schätzt die Kosten der Erschließung der Goldmine auf 2,3 Milliarden Euro. Beim aktuellen Kurs könnte jährlich Gold im Wert von 2,6 Milliarden Euro gefördert werden.
Das Gold in Sukhoi Log abzubauen, ist besonders teuer. Dafür gibt es einige Gründe:

  • Fehlende Infrastruktur: Das menschenarme Gebiet hat keine Siedlungen für Arbeiter, kaum Straßen. Die Lagerstätte befindet sich zudem unter einer großen Waldfläche.
  • Bodenbeschaffung: In Sibirien ist die Goldgewinnung meist nur in den Sommermonaten möglich. Bis zu 200 Meter tief ist der Boden permanent gefroren. Wird es wärmer, taut immerhin eine dünne Schicht auf. Positiv ist, dass das Gold in Sukhoi Log nicht so tief wie in anderen Goldgebieten der Erde liegt.
  • Goldkonzentration: Zwar sind die Reserven groß, aber die Goldkonzentration in der Lagerstätte ist schwach. Das macht das Fördern teurer.

Für Russland ist das Gold in Sibirien hochpolitisch

Nicht nur die Kosten sprachen bisher gegen das Projekt. Auch der Staat schob der Förderung lange einen Riegel vor. Bereits in den Neunziger Jahren wollte ein australisches Unternehmen gemeinsam mit einem russischen Konzern Sukhoi Log erschließen. Das Vorhaben scheiterte am Veto kommunistischer Hardliner in der Duma. Ausländische Akteure sind nicht willkommen. Die Rohstoffförderung ist wichtig für Russlands Wirtschaft und daher hochpolitisch. Sie ist der wichtigste Arbeitgeber und die Haupteinnahmequelle des Landes.
Die russische Regierung sieht den Goldbergbau als strategischen Sektor, obwohl er im Vergleich zur Öl- und Gasindustrie des Landes klein ist. Der Goldbergbau ist ein lukrativer Job für russische Arbeiter. In den Minen verdient man etwa das Doppelte des landesweiten Durchschnittseinkommens.
Russland hat die zweitgrößten Goldreserven der Länder und rund ein Zehntel des weltweiten Goldvorkommens. Das Land ist einer der größten Förderer des Edelmetalls – hinter China, Australien und den USA und vor Südafrika. Die größten Förderstätten befinden sich in Sibirien. Gold gibt es jedoch auch im Fernen Osten (dem östlichsten Teil der russischen Föderation) und im Polargebiet.

Wie der Goldabbau in Sibirien die Umwelt beeinträchtigt

Die Bauarbeiten zur Erschließung der sibirischen Goldmine sollen frühestens 2021 beginnen. Wann das Gold dann gefördert werden kann, ist momentan noch unklar. Polyus rechnet mit 2026. Denn auch hier hat die Politik noch ein Wörtchen mitzureden: Mehrere Genehmigungsprozesse müssen durchlaufen werden.
Außerdem gibt der Konzern an, strikte Umweltauflagen einhalten zu wollen. Denn die Goldgewinnung ist eine große Belastung für die Natur. Bei der Förderung wird goldhaltiges Gestein gesprengt, abgetragen, zu feinem Staub zermahlen und das Edelmetall dann chemisch vom Gestein getrennt.
Dieser Prozess ist hochgiftig. Die Chemikalien hinterlassen Rückstände, die bisher oft unzureichend oder gar nicht entgiftet vor Ort entsorgt werden. So kommt es zur Verschmutzung von Gewässern sowie zerstörter Flora und Fauna. Auch Menschen tragen nicht selten gesundheitliche Probleme davon.
Besorgniserregend in Zeiten der Klimakrise ist außerdem die Beeinträchtigung des Permafrosts. Dieser wird durch den Goldabbau beschädigt, was zum Austritt des klimaschädlichen Methans führt.
Deshalb werden die Auflagen für die Erschließung von Sukhoi Log strenger sein als je zuvor in Russland. Man möchte das positive Gegenbeispiel zur umstrittenen indonesischen Grasberg-Mine sein, die für die größte Langzeitumweltzerstörung in Westneuginea verantwortlich ist.